Im Oktober war ich viel draußen unterwegs. Ich fange auch schon an Brennnesselstängel für meine Seminare zu sammeln. Da gibt es eine sehr schön wilde Stelle an der Murr mit riesigen Brennnesseln. Dort habe ich losgelegt und die vorbeifahrenden Radfahrer schauten teilweise neugierig. Ein Mann hielt auch an und fragte, was ich denn da sammle. Bei der Antwort "Brennnesselstängel" wurde er erst recht neugierig. Irgendwie kommen die Leute dann bei mir immer auf das Thema Hexen und dann beeilen sich die Leute meist damit zu sagen, ich sei im Gegensatz zu früher auf jeden Fall dann eine schöne Hexe. Da musste ich mich gleich mal fotografieren um zu schauen, ob ich was hexiges an mir habe. Na, ja, auf jeden Fall hab ich kein Botox im Gesicht.
Da ich vor kurzem erst gelesen habe, dass die Zeichnungen von Hexen oft nach der Folter der Kräuter-Frauen gemacht wurden, habe ich dann im Gespräch gemeint, dass die Frauen vor der Folter sicher auch gut aussahen. Erst wenn die Seele aus dem Körper ausgetrieben ist, wird der Körper entstellt, leuchtet nicht mehr, ist seelenlos. Das denke ich in der heutigen Zeit oft, dass den Menschen die Seele mit verschiedensten Mitteln ausgetrieben wird, sie ihre Ausstrahlung verlieren, nur noch funktionieren, das Menschliche verloren geht. Ich glaube aber auch, dass die Natur und die Pflanzen helfen, die Seelen wieder in den Körper zu bekommen. Und ganz besonders die Brennnessel hilft dabei und ich vermute, die Brennhaare sind besonders wirksam. Das Märchen der sechs Schwäne gibt einen Hinweis auf die Heilkraft der Brennnesselfaser bei abgedrifteten Seelen: Die Brüder der Prinzessin waren zu Schwänen verhext, was vielleicht bedeutet, sie wurden traumatisiert. Ihre Seelen sind abgedriftet, weil es unerträglich war. Mit viel Liebe, Geduld und Brennnessel hat die junge Frau sie geheilt.
Überhaupt ist der Oktober von schönen Begegnungen geprägt gewesen. Mit meinem Nachbarn habe ich mich über die hohen Holzpreise unterhalten und schwups kam die Idee: ich habe ein Grundstück mit Holz und er hat die Kettensäge. Gesagt getan und für jeden kam knapp zwei Raummeter Brennholz bei raus. Mein Tilde-Buch ist fertig gedruckt und auch dadurch habe ich viele schöne Rückmeldungen und Begegnungen haben dürfen.
Meine letzte Kräuterwanderung war im Oktober, mein Brennnesselseminar Zuhause mit fünf lieben Kräuter-Frauen, mein Terrasseneinweihungsfest mit Freunden und das Beet beim NAHturladen mit Lena ist angelegt und auch da gab es schon die ersten schönen Rückmeldungen von Leuten, die es gesehen haben. Endlich gibt es auch wieder kaltes Wasser im Fluss, sodass ich den Fluss nutzen kann, um hartnäckige, unnötige Gedanken zu stoppen.
Es gab viel Regen, es gab viel Sonne, es gab und gibt so viel zu entdecken. In der Natur zerfällt nun viel und es wächst wieder so viel Neues nach. Wie soll man da nicht optimistisch in die Zukunft blicken, wenn man die Natur beobachtet? All das, was uns die Natur schenkt, ohne dass wir, außer ernten, etwas tun müssten. Wer mit der Hand erntet, erntet automatisch auch nicht zu viel, kommt in Kontakt mit den Pflanzen und spürt immer besser, wie man aus der Natur schöpfen kann, ohne zu schaden. Wir können sogar beitragen, dass Pflanzen sich vermehren, indem wir Samen sammeln und verstreuen. Der Löwenzahn ist gerade besonders schön und frisch. Wenn wir einige Blätter abpflücken, wächst er immer wieder nach und gibt uns gratis eine leckere und supergesunde Salatbeilage. Brennnessel und Löwenzahn, mit den beiden ist es schon so einfach! Beim Löwenzahn sollte man wissen, dass der Wiesenpippau, bevor er blüht, sehr ähnlich aussieht. Die Blätter sind aber viel regelmäßiger und nicht so spitzig. Der Wiesenpippau ist nicht giftig, aber er schmeckt nicht besonders gut.
Ich kann auch nicht aufhören das Indische Springkraut zu loben. Davon gibt es bei uns immer weniger, auch weil er oft unschön ausgerissen wird. Dabei sind die Samen und Triebe so lecker, eine Delikatesse. Ich bin mir sicher, wenn das mehr Menschen wissen, wird die Pflanze, die auch so wertvoll für Insekten im Herbst ist, sich nicht zusehr ausbreiten. Da sie nur flache, kurze Wurzeln hat, wächst sie sowieso nur an Standorten, wo gerodet wurden, oder einfach vorher kaum Pflanzen waren. Ich sehe sie eher als ein Pioniergewächs, dass anderen Pflanzen Platz macht, sobald der Boden dafür wieder bereit ist.
Wenn ich selbst beobachte, komme ich manchmal zu ganz anderen Schlüssen, als was ich so teilweise über Pflanzen und Natur lese. Man erkennt, dass die Natur niemals ein Feind von uns sein kann, denn auch wir sind Natur, und wenn wir die Natur bekämpfen, bekämpfen wir uns selbst. So empfinde ich es. Eine Glücksbrennnessel hab ich auch wieder entdeckt, eine Mutation, drei statt zwei Blätter pro Blattachse.